Fake It Until You Make It
- Ernst Macher
- 12. Sept.
- 6 Min. Lesezeit

Frenetischer Beifall setzte ein, als Gabler zu den Klängen von Queens „We Will Rock You“ die Bühne im Austria Center Vienna betrat. Mindestens fünfhundert DigITellers aus ganz Europa waren angereist, um ihn – Thomas Gabler – gebührend zu feiern.
„Gabler Go! Gabler Go!“, feuerten sie ihn an, und Aumann konnte sein Glück kaum fassen. Mit 330 Prozent Zielerreichung war sein Neuzugang nicht nur der erfolgreichste Account Manager seines Teams gewesen. Er hatte auch beim internationalen DigITeller-Ranking den Jackpot geknackt. 330 Prozent - unglaublich! Aumann hatte läppische fünfunddreißig Prozent Umsatzsteigerung zum Vorjahr eingefordert. Gabler hatte ein Vielfaches abgeliefert und das Team eines Besseren belehrt: Nichts ist eben unmöglich, wenn man das richtige Mindset hat, sich fokussiert und die Extrameile geht! Was für ein Vollblutvertriebler, was für ein Held, was für ein Vorbild!
Dabei hatte zwölf Monate zuvor alles noch düster ausgesehen. Maier, Petermann, Hauser, Gregoric und Leiner waren leichenblass geworden, als ihnen Aumann die Salesvorgaben verkündet hatte.
„Manchmal muss man eben auch die Komfortzone verlassen“, hatte der Head of Sales gemeint, und alle hatten gestöhnt. Niemals wären diese Wahnsinnsziele zu erreichen, hatten Aumanns Pappenheimer gemeint und drei Wochen lang gejammert. Feindbild Nummer Eins waren wie immer die gierigen Manager. Dann verfluchte man die maßlose Shareholder Value-Orientierung, und zu guter Letzt warf man dem deutschen Headquarter vor, keine Ahnung vom österreichischen Markt zu haben. Immer dasselbe!
Der Einzige, der ruhig geblieben war, war Gabler. Anfangs dachte Aumann, dass sein Neuzugang einfach zu grün hinter den Ohren war, um aufzumucken. Bald zeigte sich aber, dass der junge Mann einfach Nerven aus Stahl - und außerdem einen Plan - hatte. Schon nach wenigen Wochen Firmenzugehörigkeit tauchten bei den wöchentlichen Sales-Meetings Firmennamen auf, an die Aumann bis dahin nicht einmal zu denken gewagt hätte. Kein einziger Name der üblichen Verdächtigen – die Epikurbank, die Lorenzversicherung, der Magna-Pharmakonzern oder der Brent-Mineralölkonzern – war dabei. Nein, Gabler tauchte mit Megamarken aus dem Luxusartikelbereich und der Sportwagenbranche auf und meldete riesige Opportunities im internen CRM-System ein. Dabei blieb er stets down to earth und bescheiden, ohne Gruber und Aumann auf die Nerven zu gehen. Dieser Mann hatte als Einziger verstanden, was „Unternehmergeist bei einem Angestellten“ wirklich bedeutete.
„Nein, ‚Pegasus Sportcars‘ möchte noch keine Management Attention haben. Intern hat das Management aber beschlossen, den nächsten Milestone in Angriff zu nehmen“, hatte er mehrfach selbstbewusst in den wöchentlichen Statusmeetings erklärt.
Und Gabler lieferte! Zuerst erreichte das DigITellers Consultingteam ein Order über 200.000 Euro. Das war zwar kein Großauftrag, aber vom Timing perfekt. Ende des Jahres wolle der Kunde starten, erklärte Gabler eines Tages im wöchentlichen Sales-Meeting und überreichte Aumann bescheiden die gerade eingelangte Erstbestellung. Phänomenal! Aumann hatte damit ausreichend Zeit, seine Senior Consultants allmählich aus den bestehenden Projekten zu lösen und sie auf eine völlig neue Branche einzuschwören.
Dann kam der Juli - und inmitten in dieser „Sauren Gurken-Zeit“ donnerte eine der größten „Software-Lizenz-Bestellankündigungen“ herein, welche die Wiener Niederlassung jemals erhalten hatte. 600.000 Euro war dem Pegasus Sportcars-Management das eben erst releaste Content Management System der DigITellers wert! Aumann konnte es nicht fassen. Aber damit nicht genug!
Im Oktober - zu einem Zeitpunkt, wo Gabler seine Quote längst übererfüllt hatte - platzte völlig überraschend der nächste Monster-Deal vom „Jewelry & Luxury“- Konzern herein. 750.000 Euro für Lizenzen und eine Implementierung zu Beginn des nächsten Jahres hatte Gabler unter Dach und Fach gebracht und sich damit in die Sales-Stratosphäre katapultiert. Sogar die notorisch neidischen Kollegen zollten dem Jungspund Respekt, als die zweite Megabestellung eingetroffen war.
„Gabler Go, Gabler Go!“ johlten sie, läuteten im Büro die „Victory-Glocke“ und trugen ihren Helden auf Händen durch das Office. Der Junge hatte es sich verdient. Ein Vollblutvertriebler war er - und nett und bescheiden obendrein. Bei 330 Prozent stand er nun, und dank der Gruppenquotenregelung würde er auch den anderen den Allerwertesten retten. Gablers Sales-Künste waren ein Gamechanger. Gabler selbst war der Gamechanger in Person.
Ende November gönnte sich Gabler dann erstmals eine Schaffenspause. Dass er Großes geleistet hatte, war unbestritten. Außerdem wollte er aus Loyalität den anderen gegenüber auch einmal stillhalten. Die 330 Prozent waren perfekt, weil sie ihm im internationalen DigITellers-Ranking den ersten Platz sicherten, seinen Kollegen aber eine Schmach ersparten. Für noch mehr Umsatz wäre er wohl jederzeit gut gewesen, doch hätte dieser die Kollegen alt aussehen lassen, und Gabler war kein Kollegenschwein. Auch das schätzte Aumann an ihm und genehmigte seinem neuen Shootingstar in der normalerweise stressigen Jahresendphase einen dreiwöchigen Urlaub. Der junge Kollege hatte die Ziellinie eben schon passiert!
„Habe die Ehre, liebe Kollegen. Wir sehen uns im neuen Jahr in alter Frische im Austria Center Vienna“, schrieb Gabler seinem Team Anfang Dezember und ließ sich dann den Großteil seiner Provision auszahlen.
Das der junge Überflieger schon vorab etwas Geld sehen wollte, war absolut plausibel. Gabler war zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre mit Lotte verlobt, und die nette Arzttochter, die einen Faible für Kitzbühel und teures Understatement hatte, hatte Gabler bereits im Sommer zu verstehen gegeben, dass sie endlich in den Hafen der Ehe einlaufen wolle. Alles war perfekt. Lotte sah gut aus, ihr Vater hatte Gabler ins Herz geschlossen, und Geld gab es in der Arztfamilie ohnehin wie Heu. Auch die gelegentlichen Ausflüge in fremde Gefilde hatte ihm seine Ehefrau in spe immer wieder verziehen. Gabler schätzte das sehr und wollte daher auch in der Liebe Nägel mit Köpfen machen.
Schon im September hatte er ihr daher in einem Wiener Innenstadtlokal öffentlichkeitswirksam seine ewige Liebe geschworen und um ihre Hand angehalten. Ein Goldring mit einem eingravierten Yin-Yang-Türkis brachte Lottes Herz zum Schmelzen. Gabler gelobte, mit ihr noch im Dezember im schönen Kitzbühel den Bund der Ehe einzugehen, und sie erwiderte seinen Heiratsantrag mit einem zärtlichen „Ja, ich will“.
Die folgenden Wochen standen ganz im Zeichen der Hochzeitsplanung. Lottes Vater griff dem Paar finanziell großzügig unter die Arme und bot an, die Hochzeitstafel in einer Tiroler Hütte ausrichten zu lassen. Beide stimmten begeistert zu, und Gabler kostete der Spaß keinen einzigen Euro. Am zwölften Dezember war es dann so weit. Zweihundertfünfzig VIP-Gäste kamen ins schöne Kitzbühel und bewarfen das Brautpaar beim Verlassen der Kirche mit bunten Konfetti und Luftschlangen. Dann versammelte man sich in der zünftig ausstaffierten Hütte, die der Schwiegervater ausgesucht hatte, und stieß mit Champagner und edlen Weinen auf die Ursprünglichkeit des Tiroler Hüttenlebens an. Und natürlich auch auf die Liebe. Gabler war an diesem Abend am Gipfel seines privaten, gesellschaftlichen und beruflichen Lebens angekommen.
Rückblende:
Ein Jahr zuvor war es um den Shootingstar noch ganz anders bestellt gewesen. Mit dem Vertriebsleiter seiner Ex-Firma hatte sich Gabler furchtbar verkracht, weil ihm dieser partout keine vernünftige Provision auszahlen wollte. Sehr viel hatte er damals zwar nicht gerackert, aber dass sein damaliger Chef Huber ihn mit einem Hungerlohn abspeisen wollte, war trotzdem eine Frechheit gewesen. So etwas ließ sich Gabler nicht gefallen! Im September, kurz vor seinem Ausstieg, hatte er endgültig die Schnauze voll gehabt. Als Huber ihm mitteilte, dass er sich mit ihm wegen „der KPIs im nächsten Jahr“ zusammensetzen müsse, hatte Gabler ihm vor der gesamten Belegschaft erklärt, dass er „sich den Provisionsplan sonst wohin stecken könne und einfach eine Milliarde reinschreiben solle.“
„Null Euro Auszahlung bleiben in dieser Firma null Euro Auszahlung“, hatte Gabler durchaus scharfsinnig analysiert. Trotzdem kam die Antwort nicht gut an, und man entschied sich, beruflich künftig getrennte Wege zu gehen.
Ein wirkliches Malheur war das glücklicherweise aber nicht gewesen. Gabler war damals längst in regem Kontakt mit Berger, und dieser hatte ihm signalisiert, dass die DigITellers Typen wie ihn mit offenen Armen aufnehmen würden. Ein bisschen Chuzpe müsse manchmal eben sein, hatte dieser gemeint und ihn bei Aumann über den grünen Klee gelobt.
Ende November war es dann so weit. Gabler wechselte zu den DigITellers und war fortan für das Neukundensegment „Luxury & Lifestyle“ zuständig – ein Bereich, von dem die DigITellers so viel Ahnung hatten wie Herman Munster von japanischer Papierfaltkunst. Das war auch gut so, weil Gabler in diesem neuen „Marktsegment“ vollkommen freie Hand hatte. Weder Aumann noch Gruber wollten einen Fuß in diese ihrer Meinung nach obskure Branche setzen. So ließ man Gabler einfach mal machen und war überrascht, dass dieser schon bald mit ersten Kontakten, Terminen und Projekten in den wöchentlichen Sales-Meetings aufschlug. Für noch größeres Erstaunen sorgte die Tatsache, dass das eben erst gelaunchte „DigITellers Super Content Managementsystem Alpha Plus“ in der Luxusbranche offensichtlich auf breites Interesse stieß. Produkttechnisch war dieses nämlich keine Offenbarung. Regelmäßig stürzte es ab, und niemand hatte anfangs so recht verstanden, wie es den Weg auf die offizielle Preisliste gefunden hatte. Gabler war es dennoch gelungen, das Ding an den Mann zu bringen.
„Dieser Mann ist ein Teufelskerl“, meinte eines Tages daher sogar Gruber. „Ein echter Gamechanger!“
An dieser Stelle sei vermerkt, dass Gablers Interesse an Alpha Plus in Wahrheit eher beschränkt war. Auch bei seinen Lifestyle-Kunden in spe - Pegasus Sportcars und Jewelry & Luxury – verhielt es sich nicht anders. Interessant war aber die Provisionsvereinbarung, die Gabler mit Aumann bei seinem Eintritt ausgehandelt hatte:
Erstens bekam er für jede verkaufte Alpha Plus-Lizenz einen Multiplikator von fünfundsiebzig Prozent ausgezahlt. Hundert Euro Umsatz, 175 Euro gutgeschriebener Umsatz! Zweitens wurde bei der Provisionsberechnung nicht das tatsächliche Auslieferungsdatum, sondern das Bestelldatum herangezogen. Alles in allem: eine Traumkonstellation für jemanden, der bereit war, für den Sales-Erfolg auch weniger ausgetretene Wege zu beschreiten............


Fake It Until You Make It
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