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Eine Hand wäscht die andere

  • Autorenbild: Ernst Macher
    Ernst Macher
  • 12. Sept.
  • 4 Min. Lesezeit

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Aumann war außer sich.

„Sind Sie vollkommen wahnsinnig, Hauser? Technisch und kommerziell macht das alles keinen Sinn! In Ihrem ‚Vertrag‘ haben Sie zugesagt, dass unser CRM-System mit dem ERP-System und dem Webshop kann und die Callcenter-Lösung auch alle Stücke spielt. Mitnichten! Wir brauchen mindestens ein Jahr, bis wir das am Laufen haben - wenn wir zehn Mann dafür abstellen, die wir selbstverständlich aber nicht haben! Der Binder ist weg, und die anderen sind noch so grün hinter den Ohren, dass jeder Euro im Grunde bezahlte Ausbildung ist! Den Vogel schießt aber Ihre ‚handschriftliche Ergänzung‘ unter dem unterschriebenen Vertrag ab!“

 

Nervös rutschte Hauser auf seinem Sessel hin und her.

„Es war schon spät, die Stimmung war ausgelassen“, begann dieser.

„Also gut“, unterbrach ihn Aumann. „Für alle Anwesenden zum Mitschreiben: Die gute Nachricht ist, dass sich unter den DigITellers ein äußerst talentierter Lyriker befindet – nämlich Herr Hauser. Die schlechte Nachricht: Dieser Kunstgenuss kostet uns etwa 500.000 Euro – und das ist der Best Case!  

Aber lassen Sie mich doch einfach einen echten „Hauser“ zitieren.

 

Die Software ist der letzte Schrei

Und ist sie´s nicht...

…auch einerlei 😊 

 

„Sehr witzig, wirklich sehr witzig, Herr Hauser. Auch der Smiley darunter. Können Sie bestätigen, dass dieser Vers Ihrer Feder entsprungen ist?“

Hauser senkte den Blick und machte sich klein.

„Er ist nicht mein bester“, sagte dieser leise. „Es war vier Uhr morgens, und der Ebner von der Lorenzversicherung hat mich mit diesen Long Island Iced Teas…“

„Hauser, sind Sie vollkommen wahnsinnig?“, schaltete sich nun auch Gruber ein.

„Wie kommen Sie dazu, einen Vertrag, den weder ich noch die Rechtsabteilung gesehen haben, in einen Nachtclub mitzunehmen?!!!“

„Hab‘ ich doch gar nicht“, sagte Hauser nun etwas lauter. „Ich hab‘ dem Ebner das Ding nur per E-Mail geschickt! Das war alles! ER hat den Vertrag in die Bar mitgenommen, mich besoffen gemacht und dann heimtückisch zugeschlagen!“

 

„Halten Sie den Mund, Hauser!“, unterbrach ihn Gruber.

„Der Supergau bei der Sache ist, dass der Vertrag gültig ist! ‚Prokurist Hauser‘ – welcher Teufel hat mich damals geritten, als ich Ihnen diese Vollmacht erteilt habe? Wirklich: Wenn Sie mit demselben Ebner nicht den ersten Lorenz-Deal unter Dach und Fach gebracht hätten, würden Sie jetzt hochkant rausfliegen! Hat Sie der Ebner völlig weichgesoffen?“

Theatralisch malte Gruber Buchstaben in die Luft des Konferenzraums:

 

„Die Leiden des verwirrten Hauser – Aufstieg und Fall eines Wiener Lyrikers“

 

Hauser seufzte.

„Es muss doch eine Möglichkeit geben, das Ganze hinzubiegen! Der Geschäftsführer der Botticelli-Bar hat mir verraten, dass der Ebner ‚fleischlichen Genüssen‘ nicht abgeneigt ist. Ich meine das natürlich rein informativ…“

Gruber verdrehte die Augen.

„Gibt es laut Vertrag irgendeine Chance, Aufwendungen gegen ‚Time & Material‘ abzurechnen?“, fragte er Aumann, der an diesem Vormittag sehr blass aussah.

„Wir können theoretisch ein paar Zusatzmasken bauen und dem Ebner als ‚außerordentliche Entwicklungsaufwände‘ in Rechnung stellen. Das ist vertragskonform“ meinte Aumann vorsichtig.

„Das Problem daran: Die braucht er nicht.“

Gruber überlegte.

„Ich gebe Ihnen zur weiteren Vorgangsweise Bescheid“, sagte er kurz. Die Krisensitzung war beendet.

 

Es war Berger, der sich eine Stunde später bei Hauser meldete.

„Hören Sie“, begann dieser, „wir müssen in diesem Fall kreativ und diskret vorgehen. Rufen Sie den Ebner an, und machen Sie für mich ein Meeting aus. Termingrund: Erstellung einer gemeinsamen Erfolgsstory mit ‚anschließendem informellen Ausklang‘.

Und an dieser Stelle sind wir schon bei den ‚fleischlichen Genüssen‘, wie Sie es ja so schön im letzten Meeting gesagt haben. Also: Wohin geht er gerne? Welcher Typ gefällt ihm? Wo wird er locker?“

Hauser schluckte.

„Also den Don Juan-Saunaclub mag er am liebsten. Er steht auf blond und drall, Puppengesicht und großer Po“.

Berger stöhnte.

„Echt, immer muss ich die Drecksarbeit machen. Warum wird man für die dritte Scheidung auch noch vom Chef bestraft?“

„Darf ich mitkommen?“, fragte Hauser.

„Nein, Sie haben schon genug verbockt“, antwortete Berger.

 

Aumann meldete sich noch am selben Vormittag bezüglich des Vertrags. Inhaltlich gab es kaum einen Spielraum. Die Entwicklungsmasken, über die er in der Krisensitzung gesprochen hatte, waren nur für absolute Ausnahmen in den Vertrag aufgenommen worden. Hauser musste es schaffen, den gesamten Vertrag als einzige „Ausnahme“ zu interpretieren. Das wurde im Laufe des Meetings offensichtlich.

„Hören Sie“, legte dieser los, „Mich interessiert lediglich, wie wir vom momentanen GP (Gross Profit) von Minus 528 Prozent auf Plus 25 Prozent kommen. Anders ausgedrückt: ALLE Aufwände, die unsere Junior-Entwickler in die angeblich fertige Callcenter-Lösung und in die vermaledeite Integration stecken, fallen ab sofort unter ‚Ausnahme‘. Und wissen Sie, was Ihre Aufgabe ist, Hauser?“

„Ebner dabei zu beraten?“, fragte dieser.

Aumann seufzte.

„Der war gut. Nein, Sie werden ihm klarmachen, dass die DigITellers leider gezwungen sind, solche Aufwände IMMER in Rechnung zu stellen. Verstanden?

 

Eine Zeile Code schreiben – Ausnahme!

Workflow testen – Ausnahme!

Ein kleines Abstimmungsmeeting – Ausnahme!

 

Auf welche Weise Sie unser allseits beliebter Herr Berger dabei unterstützt, will ich gar nicht wissen!“

Hauser nickte.

„Geht klar“, sagte er. „Ich bekomm das hin.“

Hauser hatte schon bessere Zeiten erlebt. Gruber befand, dass sich sein ehemaliger Lorenz-Hero glücklich schätzen solle, nicht entlassen worden zu sein und strich diesem die gesamte Jahresprovision. War das fair? Seine dichterischen Ergüsse auf dem Vertrag waren vielleicht kein Meisterstück gewesen. Andererseits war es nur ihm zu verdanken, dass die Lorenzversicherung im Laufe der Jahre ein Topkunde der DigITellers geworden war. Alles hatte Hauser vor drei Jahren für den ersten Vertragsabschluss gegeben. Seiner Leber hatte er damals schier Übermenschliches abverlangt. Und das ließ Gruber nun alles nicht mehr gelten?

Mit äußerster Unlust rief Hauser den CIO der Lorenzversicherung an und vereinbarte für Berger das besagte Erfolgsstory-Meeting. Ja, natürlich werde auch er dabei sein, und natürlich freue auch er sich über den großartigen Abschluss, ließ er Ebner wissen, während sich ihm buchstäblich die Zehennägel aufrollten und er sich einen doppelten Marillenschnaps genehmigte. Dieser Arsch hatte ihn über den Tisch gezogen, und machte sich nun auch noch lustig über ihn. Na warte!

Unmittelbar nach dem Call gab Hauser dem Head of Marketing Bescheid, dass alles geritzt war. Auch Ebner freue sich, erklärte er Berger, und dann vereinbarte man, dass er – Hauser – eben in letzter Minute krank werden würde. Soll doch Berger den Ebner diesmal unter den Tisch saufen, dachte er sich und genehmigte sich einen letzten Marillenschnaps.  Genug gearbeitet!.........

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